...sie laden mich ein, sie zu gestalten...sie gestalten sich selbst und mich mit...wir finden unsere Gestalt...

sumpflandhexe

Unlängst wurde mir berichtet von einem verletzten, traumatisierten Kind, dessen schlimmstes Schimpfwort >sumpflandhexe< lautet.sumpflandhexe_1 Es wurde gelächelt... "wie kindlich", "wie nett" ...sind wir doch etwas ganz Anderes - "viel Schlimmeres" - gewöhnt...

Kurz darauf las ich in einem Fachbuch die folgende Interview-Passage: "Wenn jemand zum Opfer und/oder Täter geworden ist, ist es [...] sehr entscheidend, wann und wo er zum ersten Mal eine sichere Bindungserfahrung machen konnte und ob diese Erfahrung überhaupt jemals gemacht wurde. Hat er diese bereits in seinem bisherigen Leben verankern können und erlebt später eine traumatische Erfahrung, die ihn zum Opfer oder Täter hat werden lassen, dann können wir in der Therapie relativ rasch auf diese frühen 'stabilen Inseln' von sumpflandhexe_15bindungspositiven Erfahrungen zurückgreifen und die Therapie kann recht bald helfen, ein Kind aus der Gewalt und aus den inneren dynamischen Prozessen von negativen Täterintrojekten aussteigen zu lassen. Hat das Kind aber noch nie eine Erfahrung von Sicherheit gemacht, ist seine frühe Bindungsentwicklung eine 'Sumpflandschaft' [...]" (K.H. Brisch - In: Huber 2013, 314f).

...damit endete die Vorstellung von einer wundersamen, weit entfernten Märchengestalt; es entstanden Bilder, die immer nähersumpflandhexe_11 kamen, sich konkretisierten und zu einer ängstigenden, traurigen Realität wurden:

Ihr Gesicht hinter den Händen versteckend, ohne es zu können, starrt sie mit seelenblindem Blick durch dich hindurch. Sie lässt sich nicht kennen; sie kennt nichts und niemanden. Sie ist kalt und glatt. ...ein Leichtes, sie zu hassen und zu verachten...

Ich versuche, mich ihr anzunähern, indem ich ein paar Schritte zurücktrete und nehme sie neuerlich in den Blick: Da sehe ich sie - bis zum Hals im Sumpf steckend -  kämpfen gegen den Sog, der sie unerbittlich nach unten zieht. sumpflandhexe_4Die Hände vors Gesicht geschlagen, verbirgt sie die unzähligen, bitteren Tränen, die sie schon längst nicht mehr hat; sie will wegschauen, vergessen... ohne Erfolg. Bald wird der Dreck ihr in den zum lautlosen Schrei geöffneten Mund rinnen ...wie früher. Flashback. Hilflos leert sie ihren Blick, ...leert sie sich... und gibt auf... geht unter. ...ein Schweres, das zu fassen und zu verstehen, und vor Allem... ...was weiß ich schon?

 

Lit: HUBER, Michaela (2013): Der Feind im Innern. Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? Paderborn, Junfermann

 

 

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