...sie laden mich ein, sie zu gestalten...sie gestalten sich selbst und mich mit...wir finden unsere Gestalt...

sanftwütiges meergeheuer

sanftwütiges meergeheuer_7Gestern war ich dir noch geheuer; du hattest keine Angst vor mir, denn ich habe dich sanft geschaukelt, deine Haut weich umschmeichelt, dich getragen... "Wie sanftmütig es ist", hast du versonnen vor dich hingemurmelt... "Es nimmt mich auf, gibt mir Sicherheit und wiegt mich in Urzeiten zurück."sanftwütiges meergeheuer_5 Ich finde es ganz nett, dass du dich so wohlfühlst mit mir, aber es fehlt etwas!

Heute bist du verzagt und fragst dich, warum ich denn plötzlich so ein garstiges Ungeheuer bin. Du würdest mich gar nicht mehr wiedererkennen, seist auch richtig enttäuscht... Ja, ich habe dich in die Knöcheln gebissen, als du zu mir kommen wolltest, habe dich mit spitzen Steinen beworfen, sodass du schmerzhaft-blaue Flecken hast. Ich lass dich heute nicht zu mir, werfe dich immer wieder hinaus... ich bin eben manchmal wütend, wild und eiskalt... du wendest dich schockiert ab. Und jetzt bin ich sanftwütiges meergeheuer_8enttäuscht, denn ich finde es zwar ganz befriedigend, dass du dich fürchtest, aber es fehlt etwas! Ich nehme all meine Kraft zusammen und - ha! - spucke dir den ganzen Rücken voll, als du weggehst.

Morgen bist du verwundert. Ich bin wieder etwas wärmer, etwas ruhiger, aber immer noch aufgewühlt und leicht bissig. Du fühlst dich unsicher aber auch eingeladen, kommst langsam näher, und ich umspiele deine Zehen - ganz leicht knabbere ich daran, aber so, dass es nicht wehtut! Du schüttelst den Kopf und murmelst lächelnd: "Du >sanftwütiges meergeheuer<... Überrascht mich immer wieder." ...und ich freue mich, weil du mich endlich ganz sein lässt! Und natürlich bin ich schon neugierig, wie du aussiehst, wenn du zürnst, tobst und garstig bist... spuckst du auch?

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